Vorlauf
Vor etlichen Jahren habe ich auf Pellworm um Ostern herum an einer geführten Wattwanderung teilgenommen. Wir liefen mit Gummistiefeln und nur soweit, dass die Füße trocken blieben, aber der Vortrag des Wattführers machte Lust darauf, in der wärmeren Zeit eine Strecke vom Festland zu einer Insel zu gehen.
Jahre später also wollte ich diesen Plan endlich umsetzen. Eine kurze Recherche ergab, dass die Strecke nach Baltrum als einfach gilt, da sie nur durch Priele führt, die man durchwaten kann.
Es gibt mehrere Wattführer, die alle neben Baltrum auch weitere Ziele anbieten, sodass man einen passenden Termin für diese Strecke mit etwas Vorlauf erkunden sollte.
Sehr empfehlen kann ich einen Einstieg über die Seite des WWF. Dort wird die Wattwanderung mit anschließender Inselexkursion angeboten, die Jürgen durchführt. In diesem Fall enthält der Preis bereits das Ticket für die Rückfahrt. Man kann sich aber auch auf den ersten Teil beschränken. Dann ist der Preis deutlich niedriger, aber ohne die Schifffahrt. Am preiswertesten fährt man, wenn man die Rückfahr-Tickets erst direkt bei Jürgen vor Ort ersteht.
Ich war sehr angetan von Jürgens kenntnisreichen Darstellungen und Hinweisen. Auch hatte ich den Eindruck, dass er bei der WWF-Tour deutlich über sein übliches Programm hinausgeht.
Anreise
Da der Start um eine frühe Uhrzeit erfolgen sollte, bin ich am Vortag mit einem Wohnmobil angereist. In Neßmersiel gibt es dafür zwar Stellplätze, die aber nur tagsüber belegt werden dürfen. Zur Übernachtung wird man auf den Platz in Dornumersiel verwiesen. Von dort hat man den Blick hinüber nach Langeoog.

Der Weg ins Watt
Da das Wattenmeer als UNESCO-Weltnaturerbe anerkannt ist, stehen die meisten Gebiete unter strengem Schutz und dürfen nicht betreten werden. Bei Neßmersiel verläuft der erlaubte Zugang zum Watt über den Erlebnispfad, der an der östlichen Seite des Priels angelegt wurde. Man kommt zunächst an einem Brackwassersee vorbei, an dem man Vögel beobachten kann, evtl. auch von dem Beobachtungsturm.


Salz-Astern
Jürgen weist auf die wechselnde Vegetation hin, als plötzlich ein schwerer süßlicher Duft in der Luft liegt. Direkt neben der Abzäunung befindet sich ein Bereich mit Salz-Astern. Es soll auch schon mal einen Imker gegeben haben, der seine Bienen dorthin gebracht hat.

Salzwiesen
Ein Stück weiter beginnen die Salzwiesen. Sie sind hier mit Entwässerungskanälen durchzogen. Geradezu haben wir den direkten Blick auf Baltrum. Unsere Strecke wird jedoch nicht den kürzesten Weg nehmen, sondern einen größeren Bogen beschreiben. So werden wir bei Niedrigwasser an knietiefen Stellen durch die Priele kommen.


Schuhwerk
Das Watt beginnt dort, wo das Gras endet. Der Boden wird nach ein paar Metern schlickig und man sinkt ein paar Zentimeter ein. Sofort merkt man, warum spezielle Fußbekleidung angeraten wird. Barfuß ist keine Option, da es unterwegs an Austern mit scharfkantigen Schalen vorbei geht.
Auf dem Bild zu Beginn des Artikels tragen 2 Personen Beachies (das sind quasi Socken mit einer durchgehenden sehr dicken Gummisohle) und 2 Personen Surfschuhe. Eine Teilnehmerin hatte Basketballschuhe an, die aussahen wie die, mit denen man in den 1970er Jahren gespielt hat. Die funktionieren auch sehr gut. Ich hatte enge Badeschuhe, die sich auf felsigem Boden schon bewährt hatten. In diesem Fall waren sie nur noch so gerade geeignet, und ich musste öfter eine unbequeme Fußhaltung annehmen, um nicht aus ihnen heraus gezogen zu werden. Genau das ist das Problem: der Schlick saugt sich so an der Sohle fest, dass er dir beim Anheben des Fußes den Schuh herunter zieht. Daher sind Stiefel völlig ungeeignet.
Ich habe eingangs Pellworm erwähnt. Dort waren alle mit Stiefeln unterwegs. Vom Pellwormer Watt hatte ich auch eher sandigen oder torfigen Boden in Erinnerung. Daher dachte ich zunächst, dass sich das ostfriesische und das nordfriesische Watt deutlich voneinander unterscheiden. Mittlerweile habe ich gelesen, dass es auch bei Pellworm Bereiche mit Schlick gibt. Vermutlich hatte uns damals der Wattführer wegen des kalten Wassers einfach Unannehmlichkeiten ersparen wollen.
Im Watt
Wir gingen ein Stück vom Land weg und liefen dann längere Zeit parallel zur Küste. Auch hier gab Jürgen immer wieder Erklärungen. Gelegentlich kam dabei die von ihm mitgeführte Mistgabel zum Einsatz, um uns zu zeigen, wer oder was sich da im Schlick verbirgt. Die Sandklaffmuschel hat er eher versehentlich erwischt. Ältere Exemplare können sich nicht mehr selbst tiefer einbuddeln, was ihr Leben deutlich verkürzt. Wir hoffen, dass bei diesem Exemplar noch alles gut geht!

Bei den Herzmuscheln ist das unkritisch. Wenn die merken, dass sie nicht eingegraben sind, fahren sie ein „Paddel“ aus, mit dem sie den Sand unter sich beiseite wedeln, wodurch eine Kuhle entsteht, in die sie hinabsinken.

Die Wattwürmer mit ihren typischen Würsten bekamen wir natürlich auch zu Gesicht.

Die Vogelwelt, obwohl zahlreich und bestimmt Besucher gewöhnt, hielt immer einen deutlichen Abstand zu uns ein, wie hier beim Durchqueren eines Priels.

Zur Zeit des Niedrigwassers waren wir schon relativ nah an Baltrum heran gekommen. Hier ist der Boden sandig. Das Wasser im Vordergrund ist ganz flach, dahinter kommt ein Priel, das mit steigender Flut zum durch Pricken gekennzeichneten Fahrwasser wird.

Die Löffler haben uns erst spät bemerkt. Von der Seite sieht der löffelförmige Schnabel eher spitz aus. Diese vier wollten nicht warten. Im Gegenzug haben sie uns einen eindrucksvollen Start geboten.

Die letzten Meter bis Baltrum
Während wir mit Jürgen unterwegs waren, sahen wir auch andere Gruppen mit anderen Wattführern. Zum Teil liefen sie in größerem Abstand zu uns. Jürgen erklärte, dass es unterschiedliche Strecken durchs Watt gebe. Allerdings warnte er uns davor, auf eigene Faust einen längeren Weg durch Watt zu laufen, da man als Ortsfremder das Wasser bei einsetzender Flut schlecht abschätzen kann und aus einem ruhigen Priel schnell eine Rinne mit Strömung werden kann. Auch verschiebt sich im Winter teilweise der Grund, weshalb die Wattführer vor der Saison erst einmal die Wege ausprobieren müssen.

Dort wo der Boden länger nicht unter Wasser ist, bildet sich die erste Vegetation. Man sieht hier, dass sich im Boden tiefe Rillen bilden können. Der durchschnittliche Tidenhub bei Baltrum beträgt übrigens 2,5 m. Die Wattwanderung endet bei den ersten Häusern, die in der Nähe des Hafens liegen.


Rückfahrt nach Neßmersiel
Die Fähren warten nach Niedrigwasser zwei Stunden bis zur ersten Abfahrt, damit das Wasser genügend Tiefgang bietet. Der Bereich des Watts, durch den wir zuletzt gelaufen sind, ist zu diesem Zeitpunkt schon wieder vollständig geflutet.
Das Schiff wird bis zur Hafenausfahrt von Urlaubern an Land begleitet. Untiefen und Fahrrinne sind deutlich zu unterscheiden. Im Hintergrund liegt schon das Ostende Norderneys.

Die Fahrrinne führt nah am Sockel von Norderney vorbei. Hier sonnen sich die Robben. Einigen ist zu warm geworden, die kühlen sich im Wasser.

Interessant ist die Körperhaltung der Robbe links im Wasser: sie liegt schon länger da und das steigende Wasser macht ihr die Lage zunehmen unbequem. Aber Robben können auch sehr träge sein, und so heben sie lieber Kopf und Flosse, um noch etwas zu verweilen, als sich mühsam durch die Fluten zu bewegen oder noch schlimmer, sich ein Stück den Sand hinauf zu wuchten. Etwas später entstand das nächste Foto:

Ungefähr an dieser Stelle fehlte der Fähre die legendäre Handbreit Wasser unter dem Kiel. Sie fuhr tatsächlich auf Grund! Der Kapitän sagte durch, dass wir ca. 20 Minuten auf mehr Wasser für die Weiterfahrt warten müssten. Bei dem Wetter und der Robbenshow erwies sich das eher als kurzweilig. Noch mehr Robben warteten schon am Festlandsockel.

Fazit
Für eine besondere Wattführung lohnt sich auch eine gesonderte Anreise. Besondere Anforderungen an die Kondition gibt es eigentlich nicht. Wer eine ca. dreistündige Strandwanderung schafft, sollte auch die Wattwanderung von Neßmersiel nach Baltrum schaffen. Nur auf eine geeignete Fußbekleidung ist zu achten!
Wer den Urlaub in der warmen Jahreszeit an der See verbringt, sollte unbedingt einen Tag für eine Wattwanderung einplanen. Das ist in jedem Fall ein Erlebnis! Wenn dann noch gutes Wetter hinzu kommt, sowieso.